Zum Inhalt:
Unterstützen Sie Manova mit einer Spende
Unterstützen Sie Manova
Die Entgleisung der Sprache

Die Entgleisung der Sprache

Im öffentlichen Raum hat sich eine Form der Medienjustiz gegen Andersdenkende etabliert, die alle rote Linien journalistischen Anstands überschreitet.

Kanzler Scholz hält vielleicht diejenigen, die mit Friedenstauben herumlaufen, für „gefallene Engel, die aus der Hölle kommen“ (2). Und die amerikanische Transfrau Sarah Ashton Cirillo, die der ukrainischen Armee beigetreten ist, wohl um Propaganda beziehungsweise PR zu liefern, überschreitet jede rote Linie und erklärt, dass der Unterschied zwischen Ukrainern und Russen unter anderem darin liege, dass die Ukrainer Menschen wären — die Russen aber nicht (3)! Schon das Niederschreiben dieser Worte lässt mich ein weiteres Mal ungläubig und fassungslos zurück. Wie ist es möglich, dass in unserer vermeintlich aufgeklärten Gesellschaft Menschen so etwas überhaupt denken? Eine andere Gesellschaft entmenschlichen? Das hatten wir schon mehrmals, und das ging nie gut aus! Anscheinend hat das nur mich erschüttert, denn große Reaktionen gab es nicht.

Immerhin wurde die fanatische Sarah Ashton Cirillo inzwischen als Pressesprecherin der ukrainischen Armee suspendiert, wie die Kiew Post am 21. September berichtete (4). Nicht etwa wegen der Entmenschlichung der Russen — das ist schon eine Zeit lang her. Die Kiew Post vermutet als Ursache einen kürzlichen „Streit mit einem ukrainefeindlichen republikanischen Kandidaten für den US-Senat“.

Sie folgt damit der ehemaligen Menschenrechtsbeauftragten Ljudmyla Denissowa, die bereits Ende Mai 2022 vorzeitig aus ihrem Amt entlassen wurde. Der Vorwurf lautete, „dass die zuständige Beauftragte des Landes mit erfundenen Fällen Stimmung machte“ (5). Die Tagesschau sieht das anders: Erfunden seien die Vorfälle wohl nicht gewesen, „nur ausgeschmückt“. „Vielleicht habe ich übertrieben“, räumte Denissowa in einem Interview mit dem ukrainischen Webportal LB ein. „Aber ich habe versucht, das Ziel zu erreichen, die Welt davon zu überzeugen, Waffen zu liefern und damit Druck auf Russland auszuüben“, heißt es in dem Beitrag (6). Auch Correctiv, das „Wahrheitsportal“, titelte — suggestiv, wie ich meine: „Nein, Ljudmyla Denissowa bot gegenüber Komikern nicht an, russische Kriegsverbrechen zu erfinden.“ Dass ausführliche Hintergrundrecherchen zu dem Schluss führten: „Es gab berechtigte Zweifel an den Berichten, die Denissowa öffentlichkeitswirksam über Medien und Soziale Netzwerke verbreitete“, fließt nur untergeordnet in einen ellenlang erklärenden Text ein (7).

Entlarvte Propaganda-Techniken „der Guten“ sind nichts weiter als Futter für prorussische Propaganda, Kriegslügen für „die gute Sache“ anscheinend hinnehmbar.

Für den ukrainischen Journalisten Denis Trubetskoy ist die Entlassung der Menschenrechtsbeauftragten Beweis für die Glaubwürdigkeit seines Landes (6). Holte man deswegen die Hassrednerin Cirillo ins Boot? Bedenklich ist die Kriegspropaganda in jedem Fall und auf allen Seiten. Aber das darf natürlich nicht mehr laut gesagt werden. Haben uns die aufgedeckten Kriegslügen der Vergangenheit nichts gelehrt?

Der öffentlich-rechtliche Sender ZDF schlägt ebenfalls einen sehr bedenklichen Ton an. In der Reportage über Alina Lipp „The Princess of Disinformation“ betont man bereits in der Pressemitteilung, dass Frau Lipp immer mehr in ideologisches Fahrwasser gerät (8). Dass aber die Journalistin Anna Loll im Rahmen dieser dreiteiligen Dokumentation, während eines Interviews, die Russen als „Untermenschen“ bezeichnete, stößt niemandem auf. Ausgestrahlt wurde dieses pikante Detail natürlich nicht. Frau Loll jedenfalls scheint stolz auf ihre Arbeit — bewirbt sie diese doch mit den Hashtags #radikalisierung #desinformation #propaganda auf Twitter (9). Propaganda? Wer im Glashaus sitzt ..., Frau Loll! Das Wort „Untermenschen“ ist aus der Geschichte bekannt — und lässt in tiefe Abgründe blicken. Der öffentlich-rechtliche Sender sieht das wohl nicht so eng. Meine schriftliche Anfrage an das ZDF zu diesem Interview und der fragwürdigen Aussage blieb leider unbeantwortet.

Die Ansicht, dass alles, was nicht mit den gewünschten Erzählungen übereinstimmt, rechtsradikal und antisemitisch ist, ist in der Gesellschaft etabliert. Man kann nur vermuten, dass dies vor allem dazu dient, den Kritikern heutzutage kein Gehör zu schenken.

Wenn ich nun den allgemein gebräuchlichen Argumentationen folge, die besagen, dass eine Erwähnung, Erinnerung oder Ehrung der Widerstandskämpfer des Dritten Reiches einer Verharmlosung des Holocaust gleichkommt, kann ich nur folgenden Schluss ziehen: Die in der heutigen Zeit inflationäre und meist missbräuchlich angewendete Bezeichnung „Nazi“ ist eine absolute Verharmlosung des verbreiteten Schreckens und Terrors des Dritten Reiches.

Wer sich sachlich, kritsch, aber mit der falschen Meinung äußert, wird geächtet. Und wer Kontakt mit solchen Personen pflegt, ist schon verdächtig, verachtenswert und schuldig — je nach Grad der Empörung, auch in der Unterhaltungsbranche. Jüngstes Beispiel: Harald Schmidt, der sich mit Hans-Georg Maaßen und Matthias Matussek auf einem Sommerfest der konservativen Schweizer Wochenzeitung Weltwoche fotografieren ließ. Klaas Heufer-Umlauf beanstandete dies in einem Podcast mit Micky Beisenherz; er äußerte sein Unverständnis darüber, dass sich Harald Schmidt wohl auf Gespräche mit Hans-Georg Maaßen und anderen „Aussortierten“ freue. Die Arroganz dieser Worte geht in dem beiläufigen Tonfall fast unter. Dass er den einstigen Mentor einmal bewundert habe, verstehe er heute nicht mehr. Beisenherz bekräftigt das Urteil, grundsätzlich könne man ja hingehen, wo man wolle, „ABER (...) gerade die Schweizer Weltwoche“. Wehe dem also, der an Orte geht, die wohl ebenfalls aussortiert wurden (10).

Auch Olli Schulz und Jan Böhmermann, der gerade selbst in der Kritik steht, war dieses Foto eine Meinung beziehungsweise ein Urteil wert. Wahrscheinlich weil ihm der „Existenzdruck“ fehle, fahre er zu einem solchem Event (11). Einstige Bewunderer wenden sich von ihrem Vorbild ab — und das wegen eines Fotos! Auch der Nazi-Vergleich darf hier nicht fehlen: „Böhmermann sprach außerdem von einem ‚Rotkreuz-Dampfschiff nach Paraguay zum Jahresfest des Völkischen Beobachters‘“ (11, 12). Die Aufregung über das „Un-Foto“ verbreitet sich auch schriftlich — von der Süddeutschen bis zu t-online. Der seriöse Tagesspiegel übernimmt kritiklos den Begriff der „Aussortierten“ (13) und scheint so ganz voller Verständnis für Klaas Heufer-Umlauf. Die Veranstaltung sei „rechtsextrem, wirklich antisemitisch und russlandfreundlich“, zitiert der Merkur den ZDF-Moderator Böhmermann (14).

„Russlandfreundlich“ — ja, auch das ist inzwischen zu einem Kampfbegriff entartet. Aber schließlich wurde uns ja auch gesagt, dass das keine Menschen seien.

Der Spiegel erklärt dann im Weiteren: „Nun hat er sich mit seiner Autorentätigkeit gerechtfertigt“ (gemeint ist Schmidt) (15). Muss man sich heutzutage schon dafür rechtfertigen, mit Personen des öffentlichen Lebens abgelichtet worden zu sein? Reden wir hier also von „Kontaktschuld“? Ob diese Stellungnahme ausreichend war, bleibt abzuwarten, denn „schon in der Vergangenheit hatte Schmidt unter anderem mit kryptischen Aussagen über seinen Impfstatus Aufsehen erregt“. Man hat offensichtlich ein Auge auf Schmidt.

Stolz ist heutzutage verpönt, außer natürlich man/frau gehört zur „LGBTQIA+“-Gemeinde. Vaterlandsliebe ist zum Kotzen, meint Habeck (16), und sein junger Kollege Timon Dzienus kennt und verachtet sie, die Vaterlandsliebe. Das bestätigt voller Stolz der Faktencheck, versehen mit dem Hinweis, dass die Aussage aus dem Kontext gerissen sei (17). Welcher Kontext? Das wurde nicht erklärt.

„Die Legende von der ‚Umvolkung‘“ ist laut Tagesschau ein rechter Kampfbegriff (18). Von einem Grünen eingesetzt, Georg Kurz nämlich, der sich mit einem Kommentar auf Twitter deutlich zum #TeamUmvolkung positioniert (19), kann das nur satirisch gemeint sein, so jedenfalls die Interpretation von Correctiv (17).

Hass und Hetze sind gefährlich. Außer natürlich, wenn beides von Politik und Medien eingesetzt wird, wie die Verbreitung der Verschwörungstheorie der „Pandemie der Ungeimpften“ eindrücklich belegt hat. In diesem Fall ist sie verständlich und notwendig, möchte man meinen. Propaganda ist also ein adäquates Mittel, um das vermeintlich Gute durchzusetzen, aber eine verachtenswerte Technik, wenn sie von der „anderen Seite“ genutzt wird.

Die Geschmacklosigkeit dieser Zeit gipfelt darin, dass der Biologe Clemens Arvay, der sehr unter Hass und Hetze der Medien litt und sich selbst das Leben nahm, post mortem für „Das Goldene Brett vorm Kopf” nominiert wurde (20).

Ein schlechter Witz, dass ausgerechnet solche pietätlosen Sensationsjournalisten mit der moralischen Knute winken.

Hass und Hetze, die einer „richtigen Seite“ dienen, werden gnadenlos aufgetischt und angeheizt. Man erinnere sich an den Fall „Gil Ofarim“, der deutschlandweit Empörung auslöste. Nachdem jedoch durch Aufzeichnungen nachgewiesen werden konnte, dass der Vorwurf antisemitischer Äußerungen des Hotelpersonals völlig aus der Luft gegriffen war, wurde es wieder still. Als Fakt blieb übrig, dass diese falschen Beschuldigungen wiederum den Antisemiten in die Hände spielen würden. Der Vorwurf, der stehenblieb, richtete sich wieder einmal gegen die große und anonyme Menge der Nazis, die in Deutschland ihr Unwesen treiben. Dass sich Gil Ofarim wegen dieser falschen Beschuldigungen in Kürze selbst vor Gericht verantworten muss, findet kaum Medienpräsenz.

Auch im Fall „Luke Mockrigde“ wurde aufgetischt, zugeschlagen und nachgetreten; angefeuert durch Social-Media-Kampagnen wie #KonsequenzenfürLuke. Und die mediale Aufmerksamkeit hatte Konsequenzen. Der Bruder wurde aus der Fahrschule geworfen, mindestens ein Elternteil verlor den Job. Hätte man doch nur vor der Vorverurteilung den Podcast der Anklägerin angehört und am besten noch psychologische Fachkräfte hinzugezogen — die Berichterstattung hätte anders ausfallen müssen. Dass diese massiven Anschuldigungen und der Hass, dem Luke Mockridge und seine Familie ausgesetzt waren, den einstmals beliebten Comedian in Suizidgedanken getrieben haben, interessierte dabei nicht so wirklich. Wusste der Stern doch noch am 26. März 2022 zu berichten, „dass der 33-Jährige noch immer nicht verstanden hat, welche Tragweite die gegen ihn erhobenen Vorwürfe haben“ — Vorwürfe, die vor einem Gericht keinerlei Bestand hatten! Das Urteil der Medien blieb (21). Nun wurde gegen die Anklägerin eine Strafanzeige eingereicht (22).

Eins jedenfalls wird deutlich: Vorbei sind die Zeiten, als man ein Thema noch von unterschiedlichen Seiten beleuchtete. Es gilt einen gesellschaftlichen Kontext zu finden, der der Politik genehm ist und von den Medien etabliert wird. Das einstige Demokratieverständnis geht verloren in einer Politik, in der Wahlen korrigiert werden (Merkel), die Meinungen von Wählern egal sind (Baerbock) und das verlorenene Vertrauen der Bürger den Politiker überhaupt nicht mehr interessiert (Habeck). Die der Demokratie zugrunde liegende Idee, dass gewöhnliche Menschen und Bürger der Regierung Autorität verleihen, ist heutzutage ähnlich revolutionär wie zu monarchischen Zeiten.

Das Wort Demokratie kommt übrigens aus dem Griechischen und bedeutet „Herrschaft des Volkes“. Demokratie steht für moderne Lebensformen und politische Ordnung (23). Und während auf den Seiten des Bundestags noch zu lesen ist: „In demokratischen Republiken und parlamentarisch-demokratischen Monarchien ist das Volk der Souverän“ (24), zitiert der Deutschlandfunk den Historiker Michael Wildt: „Allein das Wort Volksherrschaft ruft die Assoziationen Terror, Anarchie und Willkür hervor“ (25). Habeck ist gar der Überzeugung, es gebe überhaupt kein Volk.

Wenn es aber kein Volk mehr gibt, wozu dann die Wahlen?


Quellen und Anmerkungen:

(1) https://www.youtube.com/watch?v=d4QIFFS53Rc&t=1s
(2) https://www.youtube.com/watch?v=3OWzY8mWAYQ
(3) https://twitter.com/SarahAshtonLV/status/1687759882294861824
(4) https://www.kyivpost.com/post/21856
(5) https://www.t-online.de/nachrichten/ausland/id_92341568/skandal-im-ukraine-krieg-die-erfundenen-vergewaltigungen.html
(6) https://www.tagesschau.de/faktenfinder/ukraine-denisowa-101.html
(7) https://correctiv.org/faktencheck/2022/11/21/ukraine-nein-lyudmila-denisova-bot-gegenueber-russischen-komikern-nicht-an-russische-kriegsverbrechen-zu-erfinden/
(8) https://presseportal.zdf.de/pressemitteilung/die-spur-mit-dreiteiler-ueber-the-princess-of-disinformation
(9) https://twitter.com/anna_loll/status/1699682388198990116
(10) https://apokalypse-und-filterkaffee.podigee.io/828-geschossene-gesellschaft-schurkenstart-mit-klaas-heufer-umlauf
(11) Podcast Fest & Flauschig / Boomercringe #35
(12) https://www.merkur.de/boulevard/nach-skandal-foto-harald-schmidt-bricht-sein-schweigen-auch-boehmermann-reagiert-zr-92485389.html
(13) https://www.tagesspiegel.de/gesellschaft/panorama/umstrittenes-foto-von-harald-schmidt-klaas-heufer-umlauf-wundert-sich-was-aus-seinem-vorbild-geworden-ist-10380607.html
(14) https://www.merkur.de/boulevard/nach-skandal-foto-harald-schmidt-bricht-sein-schweigen-auch-boehmermann-reagiert-zr-92485389.html
(15) https://www.spiegel.de/panorama/leute/harald-schmidt-aeussert-sich-zu-foto-mit-hans-georg-maassen-und-matthias-matussek-a-31a8e253-6130-4d8c-97bb-de18a16bb6d3
(16) https://correctiv.org/faktencheck/politik/2019/06/14/ja-robert-habeck-hat-sich-kritisch-zu-vaterlandsliebe-geaeussert/
(17) https://correctiv.org/faktencheck/2022/05/25/collage-mit-zitaten-von-gruenen-politikern-fehlt-kontext/
(18) https://www.tagesschau.de/faktenfinder/verschwoerung-antisemitismus-101.html und https://www.tagesschau.de/faktenfinder/bevoelkerungsaustausch-strache-101.html
(19) https://twitter.com/oekofuzzi/status/1277997838623019009?lang=de
(20) Die Geschmacklosigkeit dieser Zeit gipfelt darin, dass der Biologe Clemens Arvay, der sehr unter Hass und Hetze der Medien litt und sich selbst das Leben nahm, post mortem für „Das Goldene Brett vorm Kopf” nominiert wurde (https://reitschuster.de/post/hass-und-hetze-jetzt-auch-noch-gegen-toten-impf-kritiker/). Ein schlechter Witz, dass ausgerechnet solche pietätlosen Sensationsjournalisten mit der moralischen Knute winken.
(21) (https://www.stern.de/lifestyle/leute/luke-mockridge-ist-zurueck—sein-verhalten-zeigt–dass-er-nichts-gelernt-hat-31733508.html
(22) https://www.berliner-kurier.de/show/luke-mockridge-packt-ueber-ines-anioli-aus-hier-ist-ne-handgranate-li.384584
(23) https://www.bpb.de/kurz-knapp/lexika/politiklexikon/17321/demokratie
(24) https://www.bundestag.de/services/glossar/glossar/S/souveraen-247392#:~:text=In%20demokratischen%20Republiken%20und%20parlamentarisch,und%20die%20Grundrechte%20der%20Einzelnen.
(25) https://www.deutschlandfunk.de/wer-ist-das-volk-wandel-und-missbrauch-eines-gruppenbegriffs-100.html


Wenn Sie für unabhängige Artikel wie diesen etwas übrig haben, können Sie uns zum Beispiel mit einem Dauerauftrag von 2 Euro oder einer Einzelspende unterstützen.

Oder senden Sie einfach eine SMS mit dem Stichwort Manova5 oder Manova10 an die 81190 und mit Ihrer nächsten Handyrechnung werden Ihnen 5, beziehungsweise 10 Euro in Rechnung gestellt, die abzüglich einer Gebühr von 17 Cent unmittelbar unserer Arbeit zugutekommen.

Weiterlesen

In leerer Gemeinschaft
Thematisch verwandter Artikel

In leerer Gemeinschaft

Das Prinzip des Digitalen entzieht unserer Gesellschaft die Zeitlichkeit und damit das, was sie zusammenhält.